Der 19-Jährige hatte vor, außerhalb des Ernst-Happel-Stadions möglichst viele Menschen mit einem Sprengsatz sowie Hieb- und Stichwaffen zu töten, wurde Donnerstagmittag bei einer Pressekonferenz im Innenministerium mitgeteilt. An der Pressekonferenz nahmen Innenminister Gerhard Karner (ÖVP), der Generaldirektor für die Öffentliche Sicherheit, Franz Ruf, und der Leiter der Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN), Omar Haijawi-Pirchner teil.
Der 19-Jährige war am Mittwoch im niederösterreichischen Ternitz festgenommen worden. Er soll das Attentat schon seit Ende Juli geplant und auch bereits über funktionsfähigen Sprengstoff verfügt haben, den er selbst hergestellt hatte. Der 19-Jährige hatte am 25. Juli seine Arbeit in Ternitz gekündigt, veränderte dann sein äußeres Erscheinungsbild, das er an IS-Kämpfer anpasste, und widmete sich „der Vorbereitung eines Terror-Anschlags“, wie Ruf sagte. Laut Haijawi-Pirchner war der 19-Jährige „Teil eines islamistischen Netzwerks“.
17-Jähriger bei Stadion festgenommen
Festgenommen wurde auch ein 17-Jähriger mit türkisch-kroatischen Wurzeln, der dem Staatsschutz bereits bekannt war. Er war seit wenigen Tagen bei einem Facility-Unternehmen im Happel-Stadion angestellt und wurde am Mittwoch vor dem Stadion festgenommen. Der im Bühnen- und Gerüstbau tätige Bursch hätte für die Swift-Konzertreihe Arbeiten verrichten sollen, sagte sein Verteidiger Nikolas Rast am Donnerstag. Mit Terrorismus und Anschlagsplänen habe sein Mandant nichts zu tun, es sei eine „Aneinanderreihung von unglücklichen Zufällen.“
Er sei seit Jahren mit dem 19-Jährigen befreundet, erklärte Rast. Aber weder habe er dessen Radikalisierung mitbekommen noch von Terror-Plänen gewusst. Es gibt jedoch auch Indizien, die gegen den 17-Jährigen sprechen. Zum einen soll er regelmäßig eine Moschee in Meidling besucht haben, in der radikalislamistische Inhalte vertreten wurden, und dabei ins Visier des Verfassungsschutzes geraten sein. Zum anderen entdeckte die Polizei in seiner Geldtasche Propagandamaterial des IS und der Al-Kaida.
15-Jähriger gilt nicht als tatverdächtig
Intensiv befragt wurde am Donnerstag auch ein 15-Jähriger mit türkischem Hintergrund. Der Bursch gilt jedoch nicht als tatverdächtig, wie am Donnerstagabend bekanntwurde. Er wird in dem Verfahren nicht als Beschuldigter geführt, sondern wurde als Zeuge vernommen. Nach seiner Befragung konnte er nach Hause gehen, hieß es aus Ermittlerkreisen gegenüber der APA. In seiner Aussage, bei der er als Zeuge habe er unter Wahrheitspflicht stand, habe er die Verdachtslage gegen den 19-Jährigen bestätigt.
Sämtliche Taylor-Swift-Konzerte abgesagt
Alle drei Wien-Konzerte von US-Megastar Taylor Swift sind am Mittwochabend aus Sicherheitsgründen abgesagt worden. Laut dem Veranstalter Barracuda habe man aufgrund des geplanten Terroranschlags keine andere Wahl, als die Shows zur Sicherheit aller abzusagen.
Abgesehen von den drei Verdächtigen „suchen wir aktuell keine weiteren Personen“, sagte Haijawi-Pirchner. Der DSN-Direktor ging aber davon aus, dass die Ermittlungen zu weiteren Mitwissern oder -beteiligten führen könnten.
Hauptverdächtiger war bei Chemiekonzern tätig
Bei einer Hausdurchsuchung an der Adresse des 19-Jährigen in Ternitz wurden am Mittwoch Anleitungen zum Bombenbauen und zwölfprozentiges Wasserstoffperoxid – ein ätzendes Bleichmittel – gefunden. Daraus lässt sich in Verbindung mit anderen Chemikalien der hochexplosive Flüssigsprengstoff TATP herstellen. Laut Haijawi-Pirchner war der 19-Jährige bereits im Besitz von „funktionsfähigem TATP“. Die Chemikalien könnte er an seinem früheren Arbeitsplatz gestohlen haben – er war bei eine Chemiekonzern beschäftigt.
Sichergestellt wurden bei der Hausdurchsuchung auch Zündmittel, Zündkabel und Zündvorrichtungen, Messer, Macheten und 21.000 Euro Falschgeld. Außerdem hatte der 19-Jährige ein Blaulicht und Folgetonhorn, das er bereits „testweise verwendet“ hatte, wie Haijawi-Pirchner sagte: „Entweder wollte er es dazu verwenden, um zum Tatort zu gelangen oder wegzufahren.“
Veranstalter bekräftigte Absage-Entscheidung
Die Entscheidung, die Konzerte abzusagen, war „die richtige“, betonte Veranstalter Ewald Tatar, Chef von Barracuda Music, am Donnerstag. Es sei eine „Entscheidung im Sinne der Sicherheit für Besucherinnen und Besucher“ gewesen „nicht nur im Stadion, sondern auch außerhalb“. Die Maßnahme sei „in Koordination mit dem Management der Künstlerin“ getroffen worden.
Tatar verwies auf die Gefahrensituation: „Wir hätten heute ab 6.00 Uhr wahrscheinlich schon 10.000, 15.000 Besucherinnen und Besucher vor dem Stadion gehabt. Das hätte sich den ganzen Tag aufgestaut auf bis zu 60.000 bis 65.000 Personen im Stadion plus noch einmal erwartete 20.000 bis 30.000 Zaungäste. Das ist eine ungeheure Menge.“
Entscheidend sei nicht zuletzt die Erkenntnis gewesen, dass einer der Verdächtigen ein Mitarbeiter im Stadion war. „Das ist eine klare Tatsache, dass man sich dann als Veranstalter was überlegen muss. Dann ist es nicht mehr um Irgendjemanden in Niederösterreich gegangen, sondern effektiv um einen Mitarbeiter, der an diesem Tag im Stadion ab der Früh tätig war“, so Tatar. Den Schaden konnte und wollte Tatar noch nicht beziffern, man müsse die Lage erst evaluieren.
Keine „explizite Gefahr“ für weitere Konzerte
Das Happel-Stadion wurde mit Suchtrupps und Spürhunden der Polizei auf verdächtige Gegenstände durchsucht worden. Gefunden wurde dabei nichts. Innenminister Karner äußerte dennoch Verständnis, dass der Veranstalter der Taylor-Swift-Konzerte diese absagte. „Eine Tragödie konnte verhindert werden“, betonte Karner. Große Konzerte populärer Künstler seien „oft ein besonderes Ziel“ terroristischer Anschlagspläne, so der Minister weiter, der in diesem Zusammenhang seine Forderung nach mehr Befugnissen für die Polizei wiederholte: Es brauche eine rechtliche Möglichkeit zur Überwachung von Messenger-Diensten, „wie es international üblich ist“.
Diese Forderung untermauerte auch Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) bei einem Statement im Kanzleramt – und verwies gleichzeitig darauf, dass es dafür die Zustimmung des Koalitionspartners brauche. Gefragt nach der von der Opposition geforderten Einberufung des Nationalen Sicherheitsrates, sagte der Kanzler, dieser solle in den nächsten Tagen stattfinden.
Zur aktuellen Bedrohungslage meinte DSN-Leiter Haijawi-Pirchner, Österreich befinde sich in der Terror-Warnstufe 4. Zur Frage, ob andere anstehende Groß-Konzerte – etwa jenes von Coldplay in Wien oder das Frequency-Festival in St. Pölten – sicher seien, sagte er: „Es gibt keine Hinweise, dass weitere Konzerte einer expliziten Gefahr unterliegen.“ Die britische Band Coldplay soll ab 21. August vier Auftritte im Ernst-Happel-Stadion hinlegen. Coldplay-Veranstalter Live Nation rief dazu auf, Ruhe zu bewahren.